Schloss Belvedere- die Sommerresidenz von Prinz Eugen

Noch heute begreift man Prinz Eugen als mutigen Feldherrn und genialen Strategen, während sein Leben abseits der Schlachtfelder zu guten Teilen verborgen bleibt. Kunstvoll errichtete Bauwerke wie das Schloß Belvedere geben Einblicke in eine zweite Lebenswelt des barocken Ausnahmetalents Eugen, umfangreiche Sammlungen unterschiedlicher Fachrichtungen weisen ihm Interesse an Kunst, Kultur und Wissenschaft zu. Noch heute beeindruckt das Belvedere sowohl durch seine Architektur als auch seine Funktionen im Laufe der Jahrhunderte. Begleite uns in der Porzellanfuhre auf einen kulturhistorischen Streifzug rund um das Schloss Belvedere und seinen Erbauer, Prinz Eugen.
Oberes und unteres Belvedere
Unteres und Oberes Belvedere © Porzellanfuhre

So man der Erzählung Glauben schenken möchte, saß Gräfin Olympia Mancini gerade am Spieltisch, als sie die Warnung ihres Schwagers, des Herzogs von Bouillon, erreichte, Paris auf dem schnellsten Wege zu verlassen. Im Zuge der sogenannten Giftaffäre, die den französischen Hof erschüttern sollte und auch im Jahre 1680 noch zu Verhaftungen führte, war ihr Name gefallen. In das kaum zu entwirrenden Geflecht aus hinterhältigen Mordanschlägen, okkultem Treiben und politischem Ränkespiel, wäre auch sie verwickelt gewesen, hieß es von Seiten anderer Angeklagter. Tatsächlich sind die vielfältigen Anschuldigungen gegen Mitglieder des französischen Hochadels, teils aus dem unmittelbaren Umfeld Ludwig XIV, aus heutiger Sicht vielfach nicht verifizierbar. Während die Morde Marie-Madelaine de Brinvielliers zusammen mit ihrem Geliebten, Godín de Sainte-Croix an ihrem Vater und an ihren beiden Brüdern als historisch belegbar angesehen werden dürfen, ergoss sich ausgehend von diesem Fall eine wahre Verdachtsflut über die französische Adelsgesellschaft jener Tage und führte zu unzähligen Verhaftungen, Verhören und zumindest 74 Todesurteilen. 1

Olympia Mancini jedenfalls brachte sich rechtzeitig in Sicherheit und flüchtete nach Brüssel, ohne dass die Anschuldigungen gegen sie eines Beweises zugeführt worden wären. Toxisch blieb das Umfeld in Paris allemal, ihren Status als einstige Favoritin König Ludwigs XIV.  sollte sie nie wieder erlangen, und es mag mit dem tiefen Fall der Mutter zusammenhängen, dass Jahre später einer der Söhne Mancinis umsonst die Gunst des mächtigen Königs von Frankreich zu gewinnen suchte. Als Prinz Eugen zu Beginn des Jahres 1683 um Aufnahme in die königliche Armee bat, blieb die Antwort zunächst aus. Erst Mitte Juli geruhte der König zu antworten – und schlug die Bitte ab. Über die Gründe herrscht heute noch Uneinigkeit – neben den familiären Zwistigkeiten mag auch der finanziell wenig beeindruckende Status des jungen Prinzen eine Rolle gespielt haben, oder – wie man bei Liselotte von der Pfalz lesen kann – die äußere Unvorteilhaftigkeit. Jedenfalls schuf Ludwig XIV. mit seinem Desinteresse an Eugen den Grundsein jener legendären Geschichte, die Habsburg seit dem 17. Jahrhundert zu begleiten pflegte – das Talent des jungen Savoyarden entdeckt und genutzt zu haben. Viktor Bibl, Prinz Eugen. Ein Heldenleben, 1941, Johannes Günther Verlag, Wien/Leipzig, 

Tatsächlich ist über das allererste Zusammentreffen Prinz Eugens mit Kaiser Leopold I. in Passau praktisch nichts bekannt, außer dass Eugen ein Gesuch abgab und mehrere Empfehlungsschreiben mit sich führte. Als „Dux Eugene Soissons“ lässt sich der junge Mann allerdings in den Reihen der kaiserlichen Armee als Volontär identifizieren. An der bedeutenden Kahlenberger Schlacht vom 12. September 1683 nahm er teil, ohne jedoch besonders in Erscheinung getreten zu sein. Im Verlaufe des Großen Türkenkriegs sollte sich dies bald ändern. 2

Prinz Eugens militärische Erfolge, sein Prestigegewinn und die damit verbundene finanzielle Unabhängigkeit ließen ihn auch als Mäzen und überaus kunstsinnigen Menschen in die österreichische Geschichte eingehen. Nach wie vor wird Wien auch durch seine Prunkbauten geprägt, bis hin zu städtebaulichen Projekten unserer Tage.  Kunsthistorisch in seiner Konzeption und seiner Funktion als wohl bekanntestes Bauwerk Eugens darf seine Sommerresidenz, das Belvedere genannt werden. Der originalen Inneneinrichtung weitestgehend beraubt, bietet der in zwei Flügeln angelegte Komplex aber immer noch ein imposantes Bild barocker Lebensart, und wird heute als österreichische Staatsgalerie genutzt. Die Idee, Teile des Belvederes als Ort der Präsentation für Malerei und Kunst zu verwenden ist dabei alles andere als neu. Prinz Eugen selbst führte einen Teil der Räumlichkeiten solchen Zwecken zu, Maria Theresia und ihr Sohn Joseph griffen diesen Gedanken in späteren Jahren wieder auf und ließen 1775 die kaiserliche Gemäldegalerie im Zuge einer Neuordnung aus der Stallburg (Ein Teil der Wiener Hofburg) in das für derartige Präsentationszwecke besser geeignete Belvedere überführen und aufstellen. 

Dies wurde möglich, da Prinz Eugen keine direkten Nachkommen besaß und die Alleinerbin Anna Viktoria von Savoyen kein tieferes Interesse an den vielfältigen künstlerischen Ambitionen ihres Onkels zeigte.  Nach dem Tod Eugens im Jahre 1736 ging seine Nichte rasch dazu über, die umfangreichen Sammlungen zu verkaufen, wobei Familie Habsburg zu den Hauptinteressenten zählten. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist auch die sogenannte „Eugeniana“, jener Teil der österreichischen Nationalbibliothek, welcher im Prunksaal nach wie vor zu besichtigen ist, und auf Prinz Eugen zurückgeht. Letztlich wurde zu Zeiten Maria Theresias auch das Schloss Belvedere selbst veräußert und in den folgenden Jahrhunderten in unterschiedlicher Weise durch das Haus Habsburg genutzt. Neben der zuvor erwähnten Einlagerung und Aufstellung von Gemäldesammlungen diente vor allem das Obere Belvedere von 1894 bis 1914 auch als Wohnstätte für den Thronfolger Franz Ferdinand. Allerdings kam es auch in dieser Zeit zu Ausstellungen und Präsentationen. Erzherzog Franz Ferdinand fand im Belvedere jene Voraussetzungen, die von seiner Weltreise mitgebrachten 18 000 Objekte entsprechend zu präsentieren, womit auch in dieser Spätphase habsburgischer Regentschaft das Belvedere seinem Zweck, die gesellschaftliche Stellung des Hausherrn durch prestigeträchtige Darbietungen und Ausstellungen zu unterstreichen, nachkam. 

Von besonderer Bedeutung und mit der Konzeption als Sommerresidenz ursächlich in Verbindung stehend, sind die nach französischem Muster entworfenen Gartenanlagen. Streng symmetrische Formen zeichnen den Schlossgarten aus, welcher Oberes und Unteres Belvedere verbindet. Büsche und Bäume sind in ihrem Schnitt mathematisch definierbaren Körpern wie Kugeln oder Kegeln zugeordnet, nichts ist dem Zufall überlassen und sollte schon zu Barockzeiten die Überlegenheit menschlicher Vernunft der Natur gegenüber unter Beweis stellen. Insgesamt zwölf Brunnen bereichern diesen Teil des Gartens. 

Tatsächlich aber waren die Gartenanlagen deutlich vielfältiger und funktionaler als dies heute noch zu erahnen ist. Wenn auch in seiner Entstehungsgeschichte nicht mit dem Belvedere direkt verbunden, wäre an dieser Stelle auch der Botanische Garten Wien zu nennen, in welchen Teile des Belvedere Gartens eingeflossen sind. Unter der Egide Kaiser Franz II./I., dessen botanische Vorlieben allgemein bekannt sind, hatte man auf dem Gelände des ehemaligen Küchengartens des Schlosses Belvedere einen Garten der Kronländer anlegen zu lassen, (Garten Flora Austriaca Viva). Durch die Umwälzungen nach dem Zusammenbruch der Monarchie kam der Garten der Kronländer in den Verwaltungsbereich des Botanischen Gartens der Universität Wien. 3

Erwähnenswert ist im Bereich des Botanischen Gartens auch ein 1844 fertiggestelltes Botanisches Museum, welches neben einem eigenen Hörsaal genügend Platz für das äußerst umfangreiche Herbar bot. Als zweites interessantes Gebäude ist in diesem Bereich die Muttergotteskirche zu nennen, welche auf Vermittlung von Erzherzogin Marie Valerie entstand und von 1890 bis 1891 erbaut wurde. Hervorzuheben ist, dass der Hochaltar von ihrem Vater, Kaiser Franz Joseph, persönlich gestiftet wurde. Die Muttergotteskirche befindet sich im Bereich Jacquingasse 12 im Bezirk Landstraße und wird heute als Filialkirche betreut. Das Botanische Museum hingegen erlitt während des 2. Weltkriegs schwere Schäden und ist heute nicht mehr existent. 4

Schloss Belvedere festigte in den Jahren nach den Weltkriegen seinen Ruf als exquisite 

Canalettoblick
Canaletto Blick heute und damals © Porzellanfuhre

Kunstgalerie und Ausstellungsort unterschiedlichster Sammlungen. Nach der Ära Habsburg hatten Politiker wie Dr. Kurt Schuschnigg, Bundeskanzler des austrofaschistischen Ständestaats ihre Dienstwohnung im Oberen Belvedere, in den Tagen des Nationalsozialismus wurde das Schloss beispielsweise für Konferenzen genutzt. 

Besondere Bedeutung kommt dem prachtvollen Marmorsaal im Oberen Belvedere als Ort der Unterfertigung des österreichischen Staatsvertrages zu, welcher Österreich 1955 seine Souveränität zurückgab. Der bis heute bekannte Ausspruch Außenminister Leopold Figls: „Österreich ist frei“ wurde dabei nach Beendigung der Formalitäten vor Ort getätigt. 

Dass Prinz Eugens altehrwürdige Sommerresidenz auch heute noch tagespolitische Bedeutung in Bezug auf die Stadtplanung Wiens hat, wird durch den Canaletto-Blick mehr als deutlich. Als städtebauliche Referenz in Bezug auf die Hauptstadt Österreichs als Teil des UNESCO-Welterbes gilt der, von dem barocken Vedutenmaler Canaletto (Bernardo Belotto) im Jahre 1760 vom Oberen Belvedere aus eingefangene Ausblick nach wie vor als maßgebend.  Tiefgreifendere Veränderungen im Stadtbild der Wiener Altstadt, beispielsweide bedingt durch Neubauten bestimmter Höhe, sind unter anderem dadurch praktisch nicht realisierbar. 5