Widmet man sich den Kindern Maria Theresias, so rangiert Erzherzogin Maria Christina nicht unter den bekanntesten Sprösslingen der berühmten Monarchin. Maria Antonia, die als vom Schicksal gebeutelte Marie Antoinette in das kollektive Gedächtnis der europäischen Geschichte eingehen sollte, oder Joseph, der als Kaiser Joseph II. Bekanntheit, ob seiner Reformwut erlangte, sind heute deutlich populärer. Wer in Wien nach Erzherzogin Maria Christina, dem fünften Kind Maria Theresias, sucht, muss schon etwas genauer hinsehen - und wird doch rasch fündig. Besonders Liebhaber der bildenden Künste dürften an dieser Stelle aufhorchen, wurde der Erzherzogin von ihrem Ehemann, Prinz Albert von Sachsen-Teschen, eines der bekanntesten Grabdenkmäler Wiens gewidmet, und damit gleichzeitig auch das bedeutendste neoklassizistische Denkmal seiner Art in der Kaiserstadt. Von 1798 bis 1805 arbeitete Antonio Canova daran, und wer die Augustinerkirche in der Wiener Innenstadt besucht, dem wird das Kenotaph rasch ins Auge stechen.
Im Gegensatz zu der, in katholischen Kirchen gebräuchlichen Symbolik der Himmelfahrt, des göttlichen Lichts, oder dem Aufstieg ins Paradies, schreitet in Canovas Denkmal eine allegorische Figurengruppe durch eine schmale, dunkle Pforte in die Unterwelt hinab. Die Tugend, eine Aschenurne tragend, wird von zwei Mädchen mit Fackeln flankiert, dahinter die Figur der Wohltätigkeit (Caritas), wie sie einen am Stock gehenden Greis geleitet. Bekanntheit hat auch die in Gold gehaltene Inschrift über dem Portal erhalten: Uxori Optimae Albertus - Der besten Gattin Alberts, steht dort zu lesen. Der enorme Aufwand, die lange Bauzeit, und kolportierte Kosten von 85000 Gulden (heute mehrere Millionen Euro), deuten neben den Darstellungen und Inschriften auf die starke Verbundenheit des trauernden Witwers mit seiner verstorbenen Gattin hin.
Mit dem Einzug Prinzessin Isabellas von Parma in Wien trat 1760 noch lange vor der ehelichen Verbindung allerdings eine Person in das jugendliche Leben Maria Christinas, die bis heute Anlass zu Spekulationen gibt. Ob das Verhältnis der beiden Frauen eine innige Freundschaft beschrieb, Schwärmerei, oder eine homoerotische Beziehung, ist nicht eindeutig zu bestimmen. Noch vorhandenes Quellenmaterial in Form von Briefen, Aufsätzen etc. lässt zumindest auf einen intensiven Gedankenaustausch und tiefe Sympathie schließen. Der frühe Tod Isabellas im Jahre 1763 nach der Geburt ihres zweiten Kindes hinterließ im Leben Maria Christinas eine große Lücke, die Briefe der Freundin sollte sie über lange Jahre aufbewahren und auch nach Pressburg und Brüssel mitnehmen.
Maria Christina gilt nicht nur als die Lieblingstochter Maria Theresias, sondern auch als die einzige, die eine Liebesheirat ohne politische Zweckmäßigkeit eingehen durfte. So traten Mimi, wie sie von ihrer Mutter liebevoll genannt wurde, und ihr Gemahl Albert stets gemeinsam auf, und wirkten in ihrer Funktion als Statthalter Ungarns und später als Statthalter der österreichischen Niederlande tatsächlich auch als Paar. Maria Theresias Ambitionen, die Lieblingstochter nach der Eheschließung im Jahre 1766 in der Nähe behalten zu können, kam der Bestimmung, in Ungarn zu residieren, durchaus entgegen. Das Paar übersiedelte noch 1766 nach Pressburg (damals zu Ungarn gehörend), um auf Schloss Pressburg zu residieren. Diese Jahre dürften wohl zu den harmonischsten und glücklichsten im Leben Maria Christinas gezählt werden.
Als schwierig sollte sich hingegen die Zeit in den österreichischen Niederlanden ab dem Jahr 1780 erweisen, ein Abschnitt, der generell große Umwälzungen mit sich brachte. Durch den Tod Karls von Lothringen am 4. Juli, wurde die Stellung des Statthalters auf Maria Christina und Albert übertragen. Nach dem Tod Maria Theresias am 29. November 1780 jedoch verlor das Paar seine begünstigte Stellung und den Rückhalt am Wiener Hof. Maria Christinas Bruder Joseph übernahm die kaiserlichen Würden, war jedoch nicht geneigt, seinen eisernen Reformwillen zugunsten des sozialen Friedens etwas abzumildern. Maria Christina und Albert fielen in Belgien zunehmend in Misskredit und Ungnade, eine positive Verständigung zwischen Wien und Brüssel kam letztlich nicht zustande, die Situation verschärfte sich.
Kaiser Joseph II. hatte noch vor dem Amtsantritt seiner Schwester eine siebenwöchige Reise nach Belgien unternommen, um sich selbst ein Bild von dem Zustand dieses Landes zu machen. Da er die Verhältnisse in Bezug auf Verwaltung, Wirtschaft und Soziales über weite Strecken als schlicht untragbar erachtete, war jeglicher Versuch, ein Einlenken des Kaisers zu erreichen, zwecklos. Nationalistische Strömungen, gepaart mit dem Erstarken revolutionären Gedankenguts, ließen die Situation Maria Christinas und Alberts in den österreichischen Niederlanden schließlich untragbar werden. Das von Habsburg eingesetzte Statthalter Paar musste Belgien über Luxemburg im Jahr 1789 verlassen. Auch eine Restitution unter Kaiser Leopold II., des Bruders Josephs II. sollte nur von kurzer Dauer sein. 1
Die letzten Lebensjahre Maria Christinas in Wien waren geprägt vom Rückzug ins private Leben, aber auch von gesundheitlichen Einbußen. Eine politische Funktion sollte sie nie mehr ausüben. Zusammen mit ihrem Mann widmete sie sich nun verstärkt der Kunst, gesellschaftlich hielt man sich ebenfalls im Hintergrund. Auch war eine pompöse Hofhaltung im Vergleich zu früheren Tagen aufgrund eingeschränkter finanzieller Mittel nur noch begrenzt möglich.
Am 24. Juni 1798 verstarb Erzherzogin Marie Christine im Beisein ihres Gatten in Wien. Folgt man ihrem Biographen Adam Wolf, so hauchte sie ihr Leben mit dem Namen ihres Adoptivsohns, Erzherzog Karl, auf den Lippen aus.
Fürstin Eleonore Liechtenstein schrieb an ihre Tochter: “Niemals habe ich eine Tote gesehen, welche mir statt Schrecken eine solche tiefe Ruhe eingeflößt hatte.” Maria Christinas Züge hätten eine beinah “freudige Verklärung” getragen, berichtete man. Sie wurde in der Kapuzinergruft in Wien zur letzten Ruhe gebettet.2