Die Wiener Hofküche

(TW: Suizid) Mit der Zubereitung von zweitausend Portionen pro Tag galt die Küche der Wiener Hofburg als eine der leistungsfähigsten in der gesamten Monarchie. Zu Spitzenzeiten, vor großen Hofbällen oder Galadiners, konnte die Anzahl bis auf dreitausend Portionen gesteigert werden. Arbeitszeiten von vierundzwanzig Stunden waren vertretbar, in Ausnahmefällen brachten Mitarbeiter auch eineinhalb Tage an ihren Arbeitsplätzen zu. Unter den kleinen Separatküchen, die sich ebenfalls in der Hofburg befanden, sticht bis heute diejenige Kaiserin Elisabeths heraus. Nur hier wirkte eine Frau in der Position des Chefkochs, nur hier entstanden jene Diätspeisen, die Kaiserin Elisabeth im letzten Abschnitt ihres Lebens bevorzugte. Therese Teufel, die eigenen Aussagen zufolge ganze Ochsen für den Fleischsaft Kaiserin Elisabeths auszupressen hatte, hinterließ uns seltene Einsichten in das Essverhalten der berühmten Kaiserin von Österreich.  Erfahre hier mehr über die Hofküche der Superlative und das Essverhalten der Habsburger im Spiegel der Jahrhunderte.
Hofzuckerbäckerei
Hofzuckerbäckerei in der Wiener Hofburg © ÖNB

Kaiserliche Küchen hatten nicht nur den Anspruch Speisen höchster Qualität für den Herrscher und dessen familiäres Umfeld im gewünschten täglichen Rhythmus zu bereiten, sondern verstanden sich auch als höchste und gediegenste Form imperialer Repräsentation nach außen.  Imperiale Diners beispielsweise zählten im Zuge von Staatsbesuchen, Bällen und familiären Grossereignissen aller Art zu den fixen Bestandteilen der entsprechenden Festlichkeiten und wurden bis ins kleinste Detail vorgeplant. Speisenabfolgen, Sitzordnungen, Zeitdauer, Dekorum, Bedienung – nichts wurde dem Zufall überlassen und minutiös vorgegeben. Auch wenn Sitten und Gebräuche rund um die imperiale Tafel im Laufe der Jahrhunderte zum Teil großen Veränderungen unterworfen waren, blieb das eigentliche Ereignis in vielerlei Hinsicht tonangebend und diente als Visitenkarte des einladenden Herrscherhauses. 

Dementsprechend mühte man sich auch in Wien nach Möglichkeit die besten Köche Europas an die Küchen der Wiener Hofburg zu verpflichten, neue kulinarische Trends einzufangen und Althergebrachtes zu perfektionieren. Kochen in höchster Perfektion als Aushängeschild für die höchsten gesellschaftlichen Kreise – und doch bevorzugte so mancher Monarch persönlich simple Hausmannskost.1

Obwohl die Küchen der Wiener Hofburg heute nicht mehr existent sind und deren ehemalige Räumlichkeiten längst anderen Zwecken zugeführt wurden, lassen sich aus noch vorhandenen Unterlagen und Beschreibungen glaubwürdige Darstellungen über deren Aussehen und Funktionsweise ableiten. Die Küche der Wiener Hofburg hatte – bedingt durch die beeindruckende Gesamtgröße des Gebäudekomplexes – selbst auslandende Dimensionen und wurde in unterschiedliche funktionale Bereiche unterteilt. So fanden sich neben der großen Festküche mit den beeindruckenden Bratspießanlagen beispielsweise auch eine Suppenküche (Olioküche), eine Saucenküche und eine kalte Küche für Salate. Neben einer Mehlspeisenküche, die für diverse Backwaren wie Torten oder Strudel zuständig waren, existierten in dem großräumigen Küchentrakt der Wiener Hofburg auch Räume für das Reinigen des verwendeten Kochgeschirrs (Kesselreiben), sowie Büroräume für die Chefköche.2

Das Personal der Hofküche war streng hierarchisch gegliedert und setzte sich – bezogen auf das eigentliche, in der Küche wirkende Personal, aus einem Chefkoch (in früheren Jahrhunderten als Mundkoch bezeichnet), Hofköchen in drei unterschiedlichen Kategorien, Bestallungsköchen, sowie diversem Hilfspersonal zusammen. Die höheren Positionen wurden dabei von Männern bekleidet, auch im 19. Jahrhundert waren Köche aus Frankreich, oder zumindest solche, die von französischen Köchen ausgebildet worden waren, durchaus gefragt. Zwar wurde nicht ausschließlich französisch am Wiener Hof gekocht, doch war der französische Einfluss auch im 19. Jahrhundert zu Zeiten Kaiser Franz Josephs noch deutlich spürbar.3

In den Küchen der Wiener Hofburg wurde die Arbeitsweise der Generalisten angewandt, wodurch jeder Koch grundsätzlich in der Lage sein sollte, in allen Sektionen erfolgreich tätig zu sein, und allgemeines, breit gefächertes kulinarisches Wissen zu besitzen. Trotzdem wurden die zum Dienst eingeteilten Köche zumeist ihren Begabungen entsprechend eingesetzt. Echte Spezialisten in bestimmten Teilbereichen der Kulinarik, wie zum Beispiel der Herstellung von Saucen oder Hors de Oeuvre, mag es zwar auch in den Küchen des Hauses Habsburg gegeben haben, den wichtigsten Kriterien zur Anstellung in der Wiener Hofburg entsprachen derartige Lebensläufe jedoch nicht.4 

Um als Hofkoch in Wien angestellt werden zu können, bedurfte es nicht nur einer soliden fachlichen Ausbildung, welche im besten Fall an einem ausländischen Hof, beispielsweise dem französischen, erfolgreich zu absolvieren war, sondern auch praktischer Erfahrungen, die sich formals als Koch in einem namhaften Restaurant oder Grant Hotel niederschlugen. Darüber hinaus legte man auch auf eine gute schulische Ausbildung wert, welche mathematische und sprachliche Kenntnisse enthalten musste. Da die Chefköche bei Diners in entsprechender Galauniform zuweilen persönlich anwesend zu sein hatten, waren Kenntnisse der Etikette ebenfalls von Vorteil. Die Funktion des Chefkochs entsprach der eines Hofbeamten, die entsprechende Adjustierung verlangte einen roten, golddurchwirkten Gehrock, silberweiße Kniehosen, Seidenstrümpfe, Schnallenschuhe, den obligatorischen Zweispitz und den Ehrendegen. Nachdem Therese Teufel, ihre Stellung als Chefköchin Kaiserin Elisabeths angetreten hatte, musste auch sie zu offiziellen Anlässen eine derartige Uniform tragen. 5

Der Küchendienst am kaiserlichen Hof in Wien sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die dabei geforderten Tätigkeiten nicht selten in Schwerstarbeit ausarteten. Tatsächlich bereitete die Küche der Wiener Burg nicht nur die Mahlzeiten des Kaisers, sondern noch an die zweitausend weitere für das Hofpersonal zu. Standen große, gesellschaftliche Ereignisse bevor, wie zum Beispiel ein Ball, bei welchem mehrere tausend Gäste erwartet wurden, so konnte die Kapazität durchaus noch erhöht werden. Es ist einsehbar, dass die Küche der Wiener Hofburg in Einklang mit dem sogenannten Hofzehrgarden (vergleichbar mit der kaiserlichen Speisekammer), der Hofzuckerbäckerei, der Hofsilberkammer und dem Hofweinkeller stand und bei derart großen Anforderungen den Charakter einer Werks- oder Fabriksküche annahm. 6

Ab den 1820er Jahren hielten die charakteristischen weißen Mützen des Küchenpersonals Einzug in der Wiener Hofburg, zusammen mit weißen Jacken und Hosen. Damit einhergehend wurden auch die hygienischen Maßnahmen verstärkt: Das regelmäßige Wechseln der Arbeitsgewänder war nun Pflicht, lange, volle Bärte hingegen wurden in den unterschiedlichen Abteilungen der kaiserlichen Küche nicht mehr gerne gesehen. Die Überprüfung der Hygienevorschriften, ebenso wie die Kontrolle des Kochgeschirrs, sowie der Qualität der Speisen oblag sogenannten Kücheninspektoren. 

Therese Teufel
Therese Teufel, Kaiserin Elisabeths Köchin

Neben der eigentlichen Hofküche, deren Räumlichkeiten sich im Schweizertrakt befanden, existierten noch weitere, kleinere Separatküchen in der Wiener Hofburg, welche bestimmten Personen hohen gesellschaftlichen Ranges zugeordnet waren und auf entsprechenden Wunsch auch nachts genutzt werden konnten. Die wohl berühmteste Küche dieser Art befand sich im Amalientrakt und stand Kaiserin Elisabeth exklusiv zur Verfügung. Besonderes Interesse erregte dabei auch die einzige weibliche Küchenchefin der Wiener Hofburg, Therese Teufel, deren Kochkünste sowohl Kaiserin Elisabeth als auch Kaiser Franz Joseph durchaus zusagten. In den letzten Jahren der Donaumonarchie versah Therese Teufel ihren Dienst im Haushalt Erzherzogin Marie Valeries, der letztgeborenen Tochter Kaiserin Elisabeths, deren rasch anwachsende Familie die kulinarischen Fertigkeiten der ehemaligen Hofköchin ebenfalls zu schätzen wussten. 

Die Bedeutung Therese Teufels spiegelt sich heute vor allem in ihrer Rolle als Zeugin der Essgewohnheiten Kaiserin Elisabeths, deren Diäten und ausgefallenen kulinarischen Wünschen. Die heute allgemein akzeptierte Aussage, Kaiserin Elisabeth hätte aus Ochsenfleisch gepresste, aufgekochte Fleischsäfte konsumiert, geht im Wesentlichen auf die Hofköchin Therese Teufel zurück.7

Die Küche der Wiener Hofburg präsentierte sich bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein als gut strukturierter, professionell geführter Servicebettrieb, welcher Spitzengastronomie ebenso zu bieten hatte wie allgemein bekannte Hausmannskost in großen Mengen. Die Küche in ihrer Gesamtheit überlebte den Zusammenbruch der Monarchie ebenso wenig wie der kaiserliche Weinkeller oder die Hofzuckerbäckerei. Große Teile des ehemaligen kaiserlichen Haushalts wurden nach dem Ende der Monarchie abverkauft. Nur noch alte Ansichten geben uns Einblicke in die gastronomische Welt der Wiener Hofburg. 

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    Ilsebill Barta, Peter Parenzan, Ehemalige Hofsilber- und Tafelkammer. Sammlungskatalog Band I, Böhlau Verlag Wien, 1996.

  • 2

     Josef Cachee, Die Hofküche des Kaisers, Amalthea Verlag, 1985.

  • 3

    ebd.

  • 4

    Ilsebill Barta, Peter Parenzan, Ehemalige Hofsilber- und Tafelkammer. Sammlungskatalog Band I, Böhlau Verlag Wien, 1996.

  • 5

     Josef Cachee, Die Hofküche des Kaisers, Amalthea Verlag, 1985.

  • 6

    Ilsebill Barta, Peter Parenzan, Ehemalige Hofsilber- und Tafelkammer. Sammlungskatalog Band I, Böhlau Verlag Wien, 1996.

  • 7

     Josef Cachee, Die Hofküche des Kaisers, Amalthea Verlag, 1985.