Die Schwägerin von Kronprinz Rudolf

Ganz Österreich war elektrisiert: Die Schwester der Kronprinzessin, verwickelt in einen Finanzskandal? Eine Hocharistokratin, in wilder Ehe lebend? Und dann auch noch ein Duell mitten in Wien? Es gab nicht viele Personen, die Kaiser Franz Joseph ganz persönlich vom Wiener Hof zu entfernen trachtete. Louise von Coburg allerdings, für Strafrichter, Irrenärzte und Gläubiger gleichermaßen von Interesse, gehörte zweifellos dazu. Sie ging ihren eigenen Weg und sprengte alle Konventionen. Verfolgt mit uns den Werdegang einer Frau, die stets mit hohem Einsatz spielte - und verlor.

"Mit siebzehn Jahren wurde ich verheiratet, und glaubte, in der Ehe das Glück zu finden, welches ein Gatte und Kinder geben können, meine Erfahrungen waren jedoch die traurigsten. Die Kluft zwischen meinen geheimsten Gefühlen und dem was mich umgab, war unüberbrückbar, und mein Drang, nach Unabhängigkeit war viel zu stark, als daß ich mich darein gefügt hätte, davon abhängig zu sein, was ich verabscheute."1

so erklärte Louise Coburg selbst  in ihren Memoiren "Throne die ich stürzen sah" den ungewöhnlichen Weg den sie gegangen war. 

 

Louise von der Seite, in einem Buch lesend
Louise von Belgien (©ÖNB)

 

 

Louise Marie Amélie Prinzessin von Sachsen- Coburg und Gotha wurde am 18. Februar 1858 in Laeken als erstes von vier Kindern geboren. Ihre Eltern waren König Leopold II. von Belgien und Königin Marie Henriette von Österreich. Sowohl Louise als auch ihre jüngere Schwester Stephanie, die spätere Kronprinzessin von Österreich, beschrieben in ihren Memoiren eine sehr strenge Erziehung mit viel Drill und von Eltern, die sich nur wenig für ihre Kinder interessierten. 

 

Somit erschien es für Louise direkt als Glücksfall, dem belgischen Hof durch die Hochzeit am 04. Februar 1875 mit Prinz Philipp zu Sachsen-Coburg und Gotha zu entkommen. Durch ihre Heirat wurde ihr neuer Wohnsitz das Palais Coburg in Wien, das nur einige Gehminuten von der Hofburg, dem Winterpalast von Kaiser Franz Joseph und seiner Familie, entfernt war. Prinz Philipp und Kronprinz Rudolf waren enge Freunde und so kam auch Louise in direkten Kontakt mit dem Kaiserhaus. Angeblich war es auch ihre Idee, ihre Schwester als Heiratskandidatin für Rudolf vorzuschlagen, damit die beiden in Wien wieder vereint waren. Tatsächlich entschied sich Rudolf schließlich für eine Heirat mit Stephanie, eine Wahl die beide später bereuten. 

 

Louise war sehr bald von ihrer Ehe mit Philipp gelangweilt und so fing sie bereits im Jahr 1883 eine Affäre mit dem Flügeladjutanten ihres Mannes an und später auch mit dessen Nachfolger. Im Jahr 1895 verliebte sie sich bei einem Spaziergang in den kroatischen Ulanenleutnant Geza von Mattachich. 

 

Doch Geheimnisse am Wiener Hof über diese Affäre machten sehr schnell die Runde. Vor allem, wenn der jüngere Bruder des Kaisers, Erzherzog Ludwig Victor, davon Wind bekam. Franz Joseph musste handeln und verbannte Louise vom Hof. Da ihr Mann keine Anstalten machte, sie zu verteidigen und ihren Ruf zu retten, verließ Louise mit Geza Wien und reiste durch halb Europa, wo sie ganz offiziell  zu ihrer Liebe stand.

Um dem gehörnten Ehemann, nach damaligen Verständnis, seine Ehre zurückzugeben und ihm dadurch auch eine Scheidung zu ermöglichen, befahl der Kaiser, dass Philipp und Geza sich duellieren müssen.

Seiner Frau Kaiserin Elisabeth, die zu diesem Zeitpunkt nicht in Wien weilte, schrieb  Kaiser Franz Joseph am 19. Februar 1898:

"Philipp Coburg hat  endlich Gestern in Wien ein Duell mit dem Oblt. Mattachich, dem Cour Macher seiner Frau gehabt. Seine Sekundanten waren Minister Féjérváry und FML Graf Wurmbrand, welhce nach Nizza gereist waren, um den Oberlieutnant zu fordern. Das Duell sollte an einem zwischen Nizza und Wien gelegenen Orte stattfinden, mußte aber wegen Krankheit der alten Clementine nach Wien verlegt werden. Nach zweimaligem, erfolglosen Kugelwechseln, wurde das Duell mit Säbeln fortgesetzt, wobei Philipp in Folge Durchhauens, der Sehne des rechten Daumens kampfunfähig wurde und womit die Sache aus war. Nun wird hoffentlich die Scheidung Philipps von seiner charmanten Frau durchgeführt und damit die Gefahr beseitigt werden, daß sie wieder nach Wien kommt."2

 

An die Burgschauspielerin und Freundin des Kaiserpaares Katharina Schratt, schrieb der Kaiser folgende Zeilen:

"Ich besuchte auch noch den armen Philipp (Coburg), der doch recht schwer verwundet ist und den Arm in der Schlinge trägt. Er ist durch alle Schweinereien seiner Frau sehr gedrückt und hat den Scheidungsprozess seiner Frau bereits eingeleitet."3

 

Das alleine sorgte schon für einen großen Skandal, der auch in den Zeitungen thematisiert wurde. Noch schlimmer war aber die Tatsache, dass sie überall Schulden machte und teilweise Wechsel mit dem Namen ihrer Schwester unterschrieb. Franz Joseph sah dadurch das Ansehen des Kaiserhauses in Gefahr und ließ Louise schließlich im Mai 1898 in Kroatien  verhaften:

"Luise Coburg ist Vorgestern Abend ohne Anstand per Extra Zug von Agram in das Sanatorium Obersteiner in Döbling gebracht worden. In Agram ist Alles leichter abgelaufen, als zu fürchten war.

Zuerst wurde Oblt Mattasics arretirt und im Garnisonarreste in Agram eingesperrt und dann fügte sie sich bald und ging bereitwillig, ja sogar auf eigenen Wunsch in die Anstalt. Sie scheint geistig ziemlich herabgekommen und willenlos zu sein und der Hauptschuldige scheint Mattasics zu sein."4  , teilte Franz Joseph am 11. Mai 1898 seiner Frau mit.

 

Aber lassen wir auch Luise über ihre Verhaftung zu Wort kommen:

"Am anderen Morgen gegen neun Uhr, ich war noch gar nicht aufgestanden, öffnete man mit Gewalt die Tür meines Zimmers. Ich sah den Anwalt des Prinzen eintreten, von einem ganz schwarz gekleideten und behandschuhten Mann- einem Polizeiagenten in Gala gefolgt. Sie waren vom  Irrenarzt und der Wärterin aus Döbling begleitet, die sich abseits hielten.

Inzwischen stand der Extrazug unter Dampf auf dem Bahnhof bereit, und einige Stunden später befand ich mich, ohne mich zurechtgefunden zu haben... in einer Zelle in Döbling in einer Vorstadt Wiens. (...) Man hatte mich in die Abteilung für Tobsüchtige untergebracht."5

Weil sich weder Belgien noch Österreich länger für Louise zuständig fühlten, wurde sie in der Anstalt 'Lindenhof' bei Dresden untergebracht.

 

Geza von Mattachich wurde aufgrund der Wechselfälschungen zu 6 Jahren Kerkerhaft verurteilt. Nach seiner Freilassung veröffentliche auch er Memoiren und verurteilte die Vorgehensweise des Kaiserhauses scharf.

Im Jahr 1904 wurde Louise von Geza und zwei weiteren FluchthelferInnen, darunter auch die damalige Geliebte Mattachichs, befreit. Sofort wurde nach ihr gefahndet, doch es gelang ihnen die Flucht nach Frankreich wo schließlich ein Gegengutachten erstellt wurde und das Obersthofschmarchallamt in Wien dazu zwang, das Kuratel aufzuheben.

1906 wurde die Ehe zwischen Louise und Philipp geschieden. Dies führte dazu, dass ihr eigener Vater ihr verbot, jemals wieder nach Belgien zu reisen und so durfte sie auch nicht, an der Beerdigung ihrer Mutter teilnehmen. 

Im ersten Weltkrieg wurde Mattachich wieder verhaftet und kam in ein Internierungslager nahe Budapest. Louise wurde aus Österreich ausgewiesen und landete in Ungarn, wo sie 1919 wegen angeblicher Spionage zum Tode verurteilt wurde und unmittelbar vor der Vollstreckung begnadigt wurde. Später traf sie wieder mit Mattachich in Wien zusammen und ging mit ihm gemeinsam nach Paris, wo Geza 1923 starb. Völlig verarmt starb Louise nur ein Jahr später in Wiesbaden.

 

  • 1Louise von Coburg, Throne die ich stürzen sah, 1926 Wien, S.8.
  • 2Georg Nostiz- Rieneck, Briefe Kaiser Franz Josephs an Kaiserin Elisabeth 1859-1898, 1966 Wien, S. 365.
  • 3Jean de Bourgoing, Briefe Kaiser Franz Josephs an Frau Katharina Schratt, 1949 Wien, S. 360.
  • 4Georg Nostiz- Rieneck, Briefe Kaiser Franz Josephs an Kaiserin Elisabeth 1859-1898, 1966 Wien, S. 427.
  • 5Louise von Coburg, Throne die ich stürzen sah, 1926 Wien, 234.