Big Nose Kate- Eine Österreicherin im Wilden Westen

Wie muss eine Frau beschaffen sein, die an der Seite Doc Hollidays, eines der berühmtesten Revolverhelden des wilden Westens, überleben will? Hart? Trinkfest? Willensstark? Klug? All diese Eigenschaften treffen auf Katharina Horony ohne Zweifel zu. Schon früh wird die aus Österreich-Ungarn stammende junge Frau mit der vollen Härte einer Gesellschaft konfrontiert, die kaum die ihre ist. Als Prostituierte, Saloontänzerin und Reinigungskraft fristet sie ein tristes Dasein. Immer weiter driftet sie nach Westen ab, in jenen Teil der vereinigten Staaten, der noch in den 1880er Jahren als wild und gefährlich gilt. Doch auch die junge Dame aus gutem Hause verändert sich. Aus Katharina Horony wird Big Nose Kate, die ein Leben an der Seite von Revolverhelden und Berufsspielern führt. Als Teil einer überaus rauen Gesellschaft gelingt es ihr, nicht nur zu überleben, sondern auch ihre eigenen Regeln aufstellen. Noch heute erscheint Kate in den USA als Legende. Höre hier ihre bewegte Geschichte.
Big Nose Kate
Big Nose Kate in den 1890er Jahren

Als Erzherzog Ferdinand Max und Prinzessin Charlotte von Belgien im Jahre 1864 ihre Reise nach Mexiko antraten um dort als Kaiserpaar zu wirken, fuhren sie erwartungsgemäß nicht ohne einen beträchtlichen Stab an Personen, die militärisch, wirtschaftlich, politisch aber auch wissenschaftlich und kulturell unterstützend und beratend tätig sein sollten. Einige nahmen sich auch den täglichen Aufgaben einer Zofe oder eines Hausdieners an, und wieder andere waren für das persönliche Wohlergehen und die Gesundheit des mexikanischen Kaiserpaares verantwortlich. Bis heute spukt im Falle Maximilians der Name Michael Horony in der Rolle des kaiserlichen Arztes durch die Literatur, obwohl ein historischer Beweis für die Anwesenheit dieses Mannes im direkten Umfeld des Kaisers von Mexiko nicht zu erbringen ist. Tatsächlich aber lässt sich ein Mann dieses Namens und dieser Profession ausmachen, weiter nördlich, auf dem Gebiet der Vereinigten Staaten, in Davenport, Iowa. Horony, der sich zusammen mit seiner zweiten Frau und seinen acht Kindern in den USA niedergelassen hatte, stammte ursprünglich aus Ungarn und war wohl im Jahre 1860 per Schiff in die USA gekommen. So wie für unzählige andere europäische Einwanderer begann auch für Familie Horony das Abendeuer der neuen Welt zunächst in New York, bald schon ließ man die brodelnde Stadt allerdings hinter sich und wandte sich dem Westen zu, wo sich in einigen Bundesstaaten bereits Communities etabliert hatten.1

Der Arzt Michael Horony starb bereits 1865 in Davenport, und wohl kaum jemand würde sich heute noch an ihn, seine Frau oder auch nur an seine Kinder erinnern, wenn nicht eine seiner Töchter – Maria Katharina – in die amerikanische Folklore eingegangen wäre. Noch heute findet man in Arizona einen Big Nose Kate Saloon und eine Big Nose Kate Whiskey Marke. Ob die Dame auf dem Label der Flaschen die historische Katharina Horony ist, darüber darf übrigens diskutiert werden. Gemeint ist sie auf jeden Fall.  

Nach dem Tod beider Elternnoch  im Jahre 1865 wird die verbleibende Familie kurzzeitig der Vormundschaft Emilie Horonys unterstellt, Katharinas ältester Schwester, diese allerdings tritt zusammen mit ihrem Mann schon bald den Rückweg nach Europa an. Ein undurchsichtiger Rechtsanwalt namens Otto Smith übernimmt nun die Rolle des Vormunds, schon bald zerfällt die Familie endgültig, das elterliche Haus geht verloren.  Dass Kate zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit ihren Geschwistern wohnt, geht aus einigen noch erhaltenen Meldeadressen hervor, und bald auch tauchen die ersten Gerichtsakten auf. Schon in den 1860er Jahren schlägt sie sich zumindest zeitweise als Prostituierte durchs Leben, ein Versuch, ihre Bestimmung hinter Klostermauern zu finden, scheitert vielleicht auch an Kates stark ausgeprägten Freiheitsdrang. Häufig den Ort ihres Lebensmittelpunkts zu wechseln, in unterschiedlichsten Bundesstaaten zu leben, von Stadt zu Stadt zu ziehen, wird fixer Bestandteil ihrer Lebenswelt sein. Mit diesem Verhalten ist Katharina allerdings nicht allein. Besonders im Südwesten der USA entstehen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer noch neue Städte, nicht selten sind es Bergbausiedlungen, die Geschäftsmänner, Siedler, aber auch Banditen und Verbrecher in großer Zahl anlocken. Was uns noch heute als der wilde Westen meist klischeeüberladen in Filmen und Romanen präsentiert wird, entwickelt sich in Arizona zur Hochblüte. Städte wie Tombstone, das 1879 aufgrund ergiebiger Silbervorkommen erst gegründet wird, wachsen rasant. Und Menschen wie Kate, die nicht selten dem Geld hinterher reisen, lassen nicht lange auf sich warten. Es ist also kein Zufall, dass sie mit Persönlichkeiten wie Doc. Holliday und den Earp Brüdern zusammentrifft. Überraschend ist vielmehr, dass sie diese Gesellschaft zu suchen scheint und sich im Umfeld von Revolverhelden und Berufsspielern zunehmend etablieren kann.  

Ein nicht unwesentlicher Teil ihrer Bekanntheit liegt bis heute in dem Umstand, dass Big Nose Kate, wie Katharina schon bald heißen wird, eine Liebesbeziehung mit Doc Holliday eingeht, einem der berühmtesten Revolverhelden der amerikanischen Westernfolklore. Tatsächlich dürfte es sich dabei um eine sogenannte „on-off-Beziehung gehandelt haben, denn die Sitten und Gebräuche im wilden Westen bestimmen durchaus auch die privaten Lebensumstände. Ein interessanter Punkt mag zudem in dem Umstand liegen, dass sowohl Kate als auch Doc Holliday im Vergleich zu ihrem Umfeld ein hohes Maß an Bildung besitzen. Und doch bleiben Alkohol und Gewalt beständige Begleiter im Leben Kates. Im Unterschied zu vielen anderen Frauen jener Zeit dürfte es ihr trotzdem teilweise gelungen sein, ihre eigenen Spielregeln aufzustellen. 2

Ein Höhepunkt im Leben Katharina Horonys ist zweifellos ihre (angebliche) Präsenz in der Schießerei beim O.K. Corral, einem Saloon in Tombstone. Dieses Duell zwischen einigen der Gebrüder Earp und lokalen Banditen gilt als eine der berühmtesten Schießereien der amerikanischen Geschichte, auch wenn Kates Rolle dabei historisch nicht näher einzugrenzen ist. Kate selbst erwähnt einige der Vorgänge im Zuge dieses Konflikts in einem Brief an eine ihrer Nichten viele Jahre später. Letztlich ist allerdings nicht sicher zu klären, ob Kate sich überhaupt am Ort des Geschehens aufgehalten hat.3

Nach dem Tod Doc Hollidays im Jahre 1887 wird das Leben der inzwischen zu einigem Ruhm gekommenen Big Nose Kate zunehmend in ruhigeren Bahnen verlaufen. Sie verdient ihr Geld als Hotelangestellte und betreibt zeitweise eine Bäckerei. Der klassische wilde Westen verändert sich zudem, die Zeit der Revolverhelden und Duelle neigt sich dem Ende zu.  

Die letzten Jahre ihres überaus langen Lebens verbringt Kate in einem Heim für Pioniere in der Stadt Prescott. Obwohl sie einige Aufzeichnungen hinterlässt und ein paar Interviews gibt, bleiben viele Aspekte ihres Lebens ungeklärt. https://davenporthistory.org/ 

Eine Tochter des Leibarztes Kaiser Maximilians von Mexiko war sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht. Eine eigenständige, sehr robuste und willensstarke Frau, die den Wilden Westen auf ihre Art besiegte, dafür umso mehr. 

Katharina Horony starb im Jahre 1940 in Prescott, Arizona, im neunzigsten Lebensjahr an Herzinsuffizienz. Auf dem spärlichen Fotomaterial, welches sich in Bezug auf Kate erhalten hat, ist eine besonders ausgeprägte, oder gar große Nase übrigens nicht zu erkennen. Man schreibt diesem Spitznamen vielmehr einer ausgeprägten Neugierde zu.